Verbindungen mit Tragweite in Die Zimmerin

04. 05.2020

erschienen in Die Zimmerin in Ausgabe 1-2.2020 des Bruderverlag

Fachwerkträger

Mit dem Neubau der SWG-Produktionshalle in Waldenburg ist ein einzigartiges Gebäude entstanden. Das Dachtragewerk aus Buchenfurnierschichtholz überbrückt enorme Spannweiten trotz filigraner Konstruktion. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten die Traditionellen Verbindungen und Verbindungsmittel.

Mit dem neuen, einzigartigen Gebäudeensemble aus Produktionshalle, Bürohaus und Ausstellungspavillon hat die SWG Schraubenwerk Gaisbach GmbH - Geschäftsbereich Produktion - an ihrem Firmensitz im hohenlohischen Waldenburg neue Kapazitäten geschaffen. Im Frühjahr 2020 wird der vor Jahren beschlossene Neubau ganz fertig gestellt sein.

Entworfen und geplant hat das Gebäudeensemble Hermann Kaufmann zusammen mit seinen neuen Büropartnern von HK Architekten. Die Materialwahl "Holz" für das Tragwerk bzw. "Blech und Metall" für die Fassade sollen das Tätigkeitfeld von SWG Produktion und die Einsatzgebiete der Schrauben für den Holz- und Metallbereich widerspiegeln.

Mit beachtlichen Abmessungen von knapp 96,50 m Breite und 114 m Länge nimmt der rund 12 m hohe Hallenneubau eine Fläche von 11.000 m² ein. Die Halle ist fünfschiffig angelegt und wird von einem kammartig geformten Dach überspannt. Die Hallenschiffe sind knapp 20 m breit. Ihre Dachflächen verspringen in regelmäßigen Abständen nach unten, wo sie etwa 5 m auf dieser Höhe weitergeführt werden, um dann wieder in die ursprüngliche Höhe überzugehen. Diese regelmäßigen Versprünge gliedern die großflächige Halle und sorgen wie Sheddächer - nur in umgekehrter Ausführung - für viel Tageslicht im Halleninneren.

Traditionelle Verbindungen als Knotenanschlüsse

Das Tragwerk ist bisher einzigartig in dieser Größe und Ausführung: die Fachwerkträger der Dachkonstruktion sind aus hochtragfähigem Buchenfurnierschichtholz (BauBuche) gefertigt. Sie Überbrücken zum Teil enorme Spannweitern, wie etwa die 82 m langen und 3,80 m hohen Hauptfachwerke in Längsrichtung der Hallenschiffe.

Lediglich auf einer Baubuche-Stütze gelagert, überspannen sie als Zweifeldträger ein 40 m und ein 42 m großes Feld. Die 1,50 m hohen Nebenfachwerkträger spannen quer dazu über 18,30 m und stützen sich auf den Hauptfachwerken ab. 

Dabei hat das hauseigene Ingenieurbüro "SWG Engineering" aus Rülzheim die überwiegende Zahl der Anschlüsse und Knotenpunkte als traditionelle Verbindungen konzipiert, sie aber im Hinblick auf die Verwendung des Hartholzes entsprechend ans Material angepasst, variiert und optimiert. Das ergab sich auch von dem Hintergrund, dass sich die einfachen Geometrien dieser bewährten Holzverbindungen gut abbinden und die Bauteile zwängungsfrei fügen lassen - und das bei gleichzeitig optimaler Kraftübertragung in den Knoten.

Als Druckverbindung, also zur Übertragung der Druckkräfte, hat das Planungsbüro besonders oft den "verlängerten" Treppenversatz genutzt, eine optimiere Version des seit Jahrhunderten bekannten Fersenversatzes. Bei den Zugverbindungen dagegen hat man hauptsächlich Schraubverbindungen eingesetzt. Um so filigran und materialeffizient wie möglich zu sein, haben die Planenden die Tragfähigkeit der Holzbauteile außerdem maximal ausgenutzt. Im Bereich des Knotenpunkts des Hauptfachwerkbinders über der Mittelstütze sind es sogar 99,9 %. Die besondere Herausforderung dabei war, große Kräfte über kleine Querschnitte zu übertragen. Diese im Grunde widersprüchliche Anforderung war auch für die Planenden des Tragwerks Neuland. Denn die Größenordnung der Kräfte lad beim Zehnfachen, zum Teil sogar beim Hundertfachen der Kräfte, die üblicherweise bei Projekten auftreten.

"Puzzleanschluss" für optimale Kraftübertragung auf die Mittelstütze

Greift man beispielsweise den eben schon erwähnten Knotenanschluss über der Mittelstütze im Hauptfachwerkbinder heraus, den sogenannten "Puzzleanschluss", und betrachtet die Querschnittsabmessungen im Verhältnis zur aufzunehmenden Kraft, wird das "Missverhältnis" deutlich: bei Pfosten- sowie Unter- und Obergurtabmessungen von 28 cm Höhe und 32 cm Breite bzw. Diagonalen mit einem h/b von 24 cm x 32 cm erhält der Druckpfosten zwar "nur" knapp 200 kN an Normalkräften, dafür kommen bei den Untergurten auf beiden Seiten bereits plusminus 1,2 MN an, die Diagonalkräfte erreichen dann aber schon eine gigantische Größe von 2 MN. Die zweiteilige Mittelstütze muss eine entsprechende Last von 2,8 MN aufnehmen. Sie ist ebenfalls aus Buchenfurnierschichtholz ausgeführt und hat Abmessungen von 32 cm Breite und 2 x 28 cm Tiefe.

Damit all diese Kräfte im Fachwerkknoten aufgenommen und übertragen werden können, entwickelten die Tragwerksplanerinnen und -planer von SWG Engineering einen reinen Kontaktanschlussknoten, der wie ein dreidimensionales Puzzle aussieht. Die zu lösende Aufgabe bestand darin, den Querdruck im Knotenpunkt zu reduzieren, da die Querdruckfestigkeit von Buchenfurnierschichtholz in den Gurten für die Lastdurchleitung nicht ausreichend war. Das erreichte das Planungsbüro unter anderem indem es die horizontal wirkenden Lastanteile der Druckkräfte der Diagonalen über ein Zwischenstück (türkiser Bloch mit "verlängertem" Treppenversatz, siehe Bild Seite 9, links oben) direkt gekoppelt und die aus den Diagonalen resultierende Auflagerkraft nicht erst auf den Untergurt, sondern direkt in die Stütze eingeleitet hat. Das Gleiche gilt für die Vertikalkräfte des Druckpfostens.

Bauteildimensionierung durch Liefergrößen mitbestimmt

Um das Buchenfurnierschichtholz so effizient wie möglich ausnutzen zu können, wählten die Ingenieure und Ingenieurinnen Querschnitte mit stehenden Lamellen. Der Vorteil liegt in der besseren Schubfestigkeit. Hinzu kam jedoch zum Zeitpunkt der Planung der Umstand, dass die maximal lieferbare Breite von Bauteilen einfach um 90° gekippt, die 28 cm also als Höhe genutzt, woraus sich dann die 32 cm für die Breite ergaben - und die war ohne Weiteres lieferbar.

Buche braucht buchentaugliche Schrauben

Die Verwendung von Laubholz erfordert auch die Verwendung spezieller Schrauben und Stahlverbindungsmittel, die speziell für das Material zugelassen sind. Bei den Fachwerken der Produktionshalle kommen daher die dafür geeigneten, bei der SWG selbst produzierten Verbindungsmittel zum Zug, vor allem Würth Assy Vollgewindeschrauben -  oder genauer gesagt die ETA /European Technical Assessment) der Baubuche von Pollmeier (ETA-14/0354) in Kombination mit der ETA der Vollgewindeschrauben (ETA-11/0190).

Denn entscheidend für den sicheren Einsatz ist die Verknüpfung der beiden ETAs, also der Bezug, den die jeweilige ETA auf die andere nimmt. Mit der Abstimmung dieser beiden Produkte geben die beiden Unternehmen den Anwendenden und Tragwerksplanenden die verbriefte Sicherheit, sie gemeinsam verwenden zu können.

Spezielles Werkzeug für Hartholzbearbeitung

Für die Bearbeitung und Montage von Hartholzbauteilen sind außerdem spezielle, materialspezifische Werkzeuge erforderlich, etwas zum Vorbohren und Eindrehen der Schrauben. Zwar handelt es sich um selbstbohrende Schrauben, die keine Vorbohrungen benötigen, bei Buchenfurnierschichtholz ist aufgrund der hohen Materialdichte Vorbohren dennoch erforderlich. Abgesehen davon, dass damit die Schraubenpositionen definiert sind, was gerade bei einer großen Schraubenzahl wie bei den Knotenpunkten der Produktionshalle hilfreich ist, müssen die nicht erst auf der Baustelle angerissen werden. Das spart Zeit und Personal und hilft Fehler zu vermeiden. Auch ermöglichen Vorbohrungen, die Schrauben planmäßig und passgenau in die Bauteile einzudrehen, und sorgen damit für die nötige Prozesssicherheit. Wegen der hohen Materialdichte des Holzprodukts ist außerdem darauf zu achten, dass eher kürzere Schrauben mit größeren Durchmessern verwendet werden als lange dünne. Zum Vorbohren eignen sich Druckluftbohrsysteme, und zum Eindrehen der Schrauben benötigt man einen Bohrschrauber mit hohem Drehmoment.

Mit der Vorfertigung, Anlieferung und Montage des Holzbaus hat die SWG Produktion die Firma Schlosser in Jagstzell beauftragt. Dort war man entsprechend ausgerüstet, um die XXL-Bauteile aus Buchenfurnierschichtholz zu bearbeiten, zu wenden und innerhalb der Halle zu transportieren und zu guter Letzt von Jagstzell in das knapp 50 km entfernte Waldenburg zu bringen.

Autorin: Susanne Jacob-Freitag

Kategorie: Presse
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